Woche der Modellierung mit Mathematik im JUFA Pöllau
6. - 12. Februar 2016
Projekt: Himmelsmechanik
Die Himmelsmechanik ist seit Jahrhunderten ein klassisches Teilgebiet
der Astronomie bzw. der theoretischen Physik. Mit ihrer Hilfe wurde
einst der Planet Neptun gefunden, und zwar anhand von Abweichungen in
der Bahn des Uranus. Genauso wurde erst vor ein paar Wochen auf die
Existenz eines möglichen weiteren Planeten geschlossen, der
allerdings eine wesentlich größere Entfernung von der Sonne
aufweisen soll als die übrigen Planeten.
Lagrange-Punkte sind bestimmte Orte nahe der Umlaufbahn eines
Planeten, die sich mit diesem um die Sonne bewegen. Dies sind gerade
jene Punkte, an denen sich die Anziehungskräfte von Sonne und Planet
sowie die Zentrifugalkraft genau aufheben. Das heißt, dass sich ein
Körper in einem Lagrange-Punkt ohne weitere äußere Kräfte mit
dem Planeten um die Sonne bewegt.
In diesem Projekt werden wir etwa herausfinden wie viele solcher
Lagrange-Punkte es bei einem Planeten gibt, und in welchen dieser
Punkte ein stabiles Gleichgewicht möglich ist. Dafür werden wir
zunächst die Newton'schen Bewegungsgleichungen aufstellen und diese
numerisch über die Zeit integrieren um die Bahnkurven der Körper
zu erhalten. Je nach Zeit und Interesse können wir uns auch
theoretischen Problemen, wie den Kepler'schen Gesetzen, oder
numerischen Fragen, etwa nach verschiedenen Integrationsalgorithmen,
widmen. Natürlich lässt sich am Beispiel des Dreikörperproblems
bzw. beim Sonnensystem selbst auch chaotisches Verhalten untersuchen.
Projekt: Informatik
Viele Onlinehändler und Streamingdienste nutzen heutzutage sogenannte
Empfehlungsdienste, um ihren Benutzern neue Produkte vorzuschlagen,
die für diese von Interesse sein könnten. Oft empfinden wir diese
personalisierten Vorschläge als ungewünschte Werbung; vielleicht auch
deshalb, weil die automatisierten Vorschläge erschreckend oft richtig
liegen. Aber woran liegt das eigentlich? Und kann man das auch mit
Hilfe der Mathematik erklären?
Diese und viele ähnliche Fragen wollen wir in unserem Projekt näher
untersuchen. Dabei werden wir herausfinden, dass eine wesentliche Idee
von Empfehlungsdiensten auch für den Erfolg von Google
(mit-)verantworlich ist. Im ersten Teil des Projekts beschäftigen wir
uns zunächst mit dem PageRank-Algorithmus, der es erlaubt Objekte
(Filme, Lieder, Webseiten) nach ihrer 'Wichtigkeit' zu
sortieren. Hierbei werden gewisse Netzwerk- und Linkstrukturen eine
wichtige Rollen spielen. Anschließend versuchen wir diesen Algorithmus
so zu verändern, dass wir ihn beispielsweise für eine Online-Videothek
einsetzen können. Basierend auf echten Datensätzen werden wir die
Erfolgsquoten von unserem eigenen Computerprogramm überprüfen.
Projekt: Straßenverkehr
Betreuer: Dr. Laurent Pfeiffer
Voraussage des Verkehrs in einem Transportnetzwerk
Der Bau einer Brücke, einer neuen Autobahn oder eines Tunnels
verursacht erhebliche Kosten. Deswegen ist es höchst wichtig, den
Verkehr voraussagen zu können, um die Auswirkung einer solchen
Baustelle abzuschätzen.
In dem Modell, das wir studieren werden, nimmt jeder Verbraucher den
schnellsten Weg, um seinen Bestimmungsort zu erreichen. Zunächst
werden wir numerische Methoden untersuchen, um diesen schnellsten Weg
zu berechnen. Solche Methoden sind übrigens in GPS implementiert.
In einem zweiten Schritt werden wir analysieren, wie sich die
Verbraucher des Netzes gegenseitig beeinflussen. Zum Beispiel, wenn
sie alle versuchen, die Autobahn zu nehmen, entsteht ein Stau: Es kann
dann günstiger sein, eine kleine Landstraße zu nehmen.
Projekt: Finanz
Beim Backgammon stellt sich häufig die Frage, ob man seinen
Spielstein 8 Felder entfernt vom gegnerischen positionieren
sollte. Man überlegt kurz, dass die Wahrscheinlichkeit gefressen
zu werden bei knapp 15% liegt. Insbesondere im Anfangsstadium
eines Spiel ist dieses Risiko also vertretbar - zumal es auch
wichtige Feldgewinne ermöglicht. Würden wir aber auch bei 6
Feldern so entscheiden? Wir rechnen schnell nach, dass wir fast
mit jedem zweiten Wurf den Spielstein verlieren würden und
entscheiden uns wohlmöglich dagegen. Diese Kennzahlen, auf denen
wir unsere Entscheidungen stützen sind statistische
Invarianten. Im Backgammon sind diese wegen der zwei Würfel
leicht auszurechnen. Kann man jedoch solche auch an den
Aktienmärkten finden?
Wir möchten uns dieser Frage weniger über die
mikroskopische Betrachtung einzelner Märkte
nähren. Vielmehr würden wir uns ausschließlich
auf den uns zur Verfügung stehenden Kursen konzentrieren. Im
Genauen werden wir die realen Kursdaten des S&P500 (des
größten amerikanischen Marktes) der letzten 54 Jahren
untersuchen. Häufig, wenn man tradet - also an der
Börse investiert (bzw. spekuliert) - glaubt man stets den
Tag erwischt zu haben, wo der Kurs 3% steigen wird. Dabei hat man
gar nicht im Sinn, wie hoch überhaupt die Wahrscheinlichkeit
ist, solch einen Tag zu erwischen. Eventuell sagt einem das
Bauchgefühl, dass der Kurs deswegen 3% steigen soll, weil er
die letzten 5 Tage 5% gefallen ist. Gut, das ist jedoch in sich
genommen auch statistisch an Hand der vorhandenen Daten
überprüfbar. Dieses gilt für jede Strategie.
Wir möchten verschiedene Strategien probieren, selbst eigene
entwickeln und deren Häufigkeit feststellen. Eventuell wird
es uns gelingen, eine zu finden, mit der man besser dasteht als
der bloße Zufall.
Projekt: Kontinuumsmechanik
Betreuer: Mag.Dr. Stephen Keeling
Deformationswellen elastischer Materialien
Das erste Ziel des Projekts ist, Bungee-Springen zu
simulieren! Das elastische Seil ist ein-dimensional, aber die
Bewegung findet in drei Dimensionen statt. Man wird zuerst einfache
Modelle der Elastizität und dann Wellengleichungen für
ein-dimensionale Materialien kennenlernen. Das einfachste Beispiel
solcher Wellen ist für eine Gitarrensaite, da die Deformationen
ziemlich klein sind. Pass auf! Die Deformationen eines Bungee-Seils
sind aber nicht klein, und die üblichen Methoden für eine
Gitarrensaite sind nicht ausreichend!
Je nachdem wie es mit dem ein-dimensionalen Ziel erfolgt, könnte
ein zweites Ziel des Projekts sein, dynamische Seifenblasen zu
simulieren! Die elastische Membran ist zwei-dimensional, aber die
Bewegung findet in drei Dimensionen statt. Die gewonnenen Erfahrungen
für das erste Ziel müssen natürlich für dieses komplexere Ziel
entsprechend verallgemeinert werden.